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Herz und Kreuz Dame, sowie Bube 1

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Thereallobezno's avatar
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Herz und Kreuz Dame, sowie Bube


Abwartend lehnte Hiau Tzü gegen eine pastellfarbene Wand, die leicht vibrierte. Diese war mit stuckähnlichen Verzierungen geschmückt und sollte wohl wie die Wohnwand einer noblen Unterkunft wirken. Die ganze Inneneinrichtung des Abteils zielte wohl auf diesen Effekt ab - sowohl die kleine Nische, in der man sauberes Trinkwasser nach Belieben zur Verfügung hatte, wie auch die schrankähnlichen Fächer in den Sitzabteilen oder die Toiletten, die einen bizarren Retro-Charm ausstrahlten. Selbst die Schutzverdunkelung der Fenster erinnerte eher an zugezogene Gardinen, als an einen elektronischen Effekt.
Es hätte wohl ein Idyll sein sollen.
Doch im Moment herrschte Endzeitstimmung.
Dazu trugen vor allem die diversen Kleidungsstücke bei, die wild im Gang verstreut herumlagen - darunter sogar ein einzelner, neongrüner Ärmel einer Papierjacke - sowie eine stattliche Ansammlung an vereinzelten Frauen- und Turnschuhe, sowie zahlreiche verwaiste Gepäckstücke. Und eine hässliche Blutlache, die einfach unübersehbar war.
Zum Ganzen gesellte sich schließlich noch eine pulsierende Textzeile, die in Endlosschleife der Wand entlang lief:
„Dies ist keine Übung! Dies ist keine Übung! Alle Fahrgäste werden hiermit ultimativ aufgefordert, sich im vorderen Speisewagen einzufinden. Zwingen sie uns nicht, nach ihnen suchen zu müssen! Es könnte verdammt hässlich werden…"
Das noch frische Blut stammte vom zuständigen Sicherheitsoffizier der Delaracirolle.
Die Asiatin hatte seinen Leichnam achtlos hingeworfen mitten im Gang vorgefunden. Und so wie sie die Zeichen und Abdrücke deutete, hatte er absolut keine Chance gehabt.
Auf Höhe der Brust waren die Nähte seiner lässigen Märchen-Uniform gerissen. Dort war er gepackt worden, als er sich heftig, aber vergebens zu wehren versucht hatte. Weiter deuteten die Druckstellen von Finger um den Mund und in seinem Gesicht darauf, dass ihm von hinten her die Kehle durchschnitten worden war.
Auf den ersten Blick mochte es vielleicht primitiv und unüberlegt wirken, in Zeiten perfekten High Techs noch jemanden mit einem Messer abzuschlachten. Aber Hiau Tzü konnte an den Spuren um den Toten gut ablesen, dass die Tat ihren Effekt nicht verfehlt hatte. Danach hatten sich die Passagiere sehr wahrscheinlich viel kooperativer gezeigt. Vor allem die Tatsache, dass sich weiter vorne im Gang mehrere Leute erbrochen hatten, sprach eine sehr deutliche Sprache.
Sie hatte ihn in sitzender Position gegen die Wand gelehnt, seine Uniform einigermaßen zurecht gerückt und ihm seine Hände in den Schoss gelegt. Das war das mindeste, das sie für ihn hatte tun können.
Zumindest war er in der Verübung seiner Pflicht gestorben.
Die Assassin II in der Rechten und die zuvor erbeutete Glock gesichert am Gurt, kam ihr hier und jetzt die Situation irgendwie vertraut vor.
Und zum ersten Mal, seit sie diesen Kontinent betreten hatte, fühlte sich die Asiatin nicht mehr verloren.
Dazu gehörten wohl auch die Rufe und Schreie, die aus der Tiefe des Hochgeschwindigkeitszuges zu ihr drangen. Doch sie fokussierte sich über ihren Audioverstärker mehr auf das Gespräch der zwei Idioten im nächsten Wagen, als auf das Wehklagen weiter vorne zu achten.
Vom anderen Ende des Abteils kam inzwischen die hochgewachsene Elfe zurück gerannt. Sie war in ihr Abteil zurückgekehrt, um ihre Perücke zu holen.
Noch im Rennen kontrollierte sie ihren knielangen Rock, der nach dem vorherigen Stunt ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden war und praktisch nur noch aus Goodwill hielt.
Die Frau trug immer noch ihren hellgrauen und adretten Business-Suit mit weißen, halterlosen Strümpfen in klassischer Tüllstruktur, Peeptoe-Highheels und eine perlmutfarbene Seidenbluse, durch die sich ihr BH abzeichnete. Laut Etiketten wohl von Armanté.
Die Tarnung war an und für sich perfekt. Eine elfische Geschäftsfrau, wie sie im Bilderbuch stand.
Wäre nicht ihr Tick mit den Karten gewesen.
Einer der zwei Wache schiebenden Männer im vorderen Wagen erhielt jetzt über Funk neue Befehle. Sie konnte die Anspannung des Mannes förmlich bis hierher spüren.
Deswegen wies Hiau Tzü die Elfe an, kurz zu warten, während sie das Gespräch aufzeichnete und ihre Headware zu Hilfe nahm, um alle Details richtig verstehen zu können.
Die Elfe ihrerseits nickte und blieb stehen.
Unschlüssig sah sie dabei den Leichnam des Sicherheitsoffiziers an.
Dann verfinsterte sich ihre Miene, als sie in die Hocke ging und kurzerhand die Uniform des Mannes auf Kragenhöhe aufriss und seine Hundemarke aus Wolframcarbid herausklaubte.
Ihre Gesichtszüge verhärteten sich.
Kurzerhand schnappte sich jetzt die Elfe die linke Hand des Mannes und zog ihm den Handschuh aus.
Dem Toten fehlten am kleinen Finger zwei und am Ringfinger ein Glied.
Mit einem traurigen Seufzen sackte ihr Kopf nach vorne.
Nun legte sie Zeigefinger und Daumen auf seine Augenlider und murmelte etwas in einer melodiösen Sprache, vor dem Hiau Tzüs Übersetzungsprogramm komplett kapitulierte.
Einen Atemzug lang verharrte sie so.
Dann riss sie ihm jäh die Marke ab und ballte die Faust, bis die Knöchel weiß hervortraten.
Schließlich küsste sie ihn zum Abschied noch auf die Stirn und richtete sich mit der Eindrücklichkeit eines nahenden Sturmes zu ihrer vollen Größe auf.
In den Augen der Elfe war etwas erwacht, das Hiau Tzü nur all zu gut kannte.

Irgendwie lief es momentan aus dem Ruder.
Vor allem hatte es bei der Einsatzbesprechung viel einfacher geklungen!
Dort war nie die Rede davon gewesen, dass es einem simplen Passagier alleine gelingen konnte, die zusammengetriebenen Menschen zu befreien. Und erst recht nicht, dass dieser gegen bewaffneten Alamos 20K Kämpfer die Stellung halten könnte...
Denn er und einige Sicherheitsbeamten, die ihnen scheinbar entkommen waren, versuchten im Moment in einem der Wagen die Stellung zu halten.
Also rief ihre Anführerin Alekto alle zurückgebliebenen Mitglieder zusammen, damit sie dieser kleinen Schar Bastarde in den Rücken fallen sollten.
Donald bestätigte den Befehl und blickte zu seinem Waffenbruder hoch.
Fredrik der Norweger war ein Hüne von einem Mann. Es hieß, dass er es locker mit einem Ork aufnehmen konnte. Und heute hatte er endlich seinen ersten Elf erlegt!
Der Kerl schien mächtig stolz darauf zu sein, so wie er mit einem selten dämlichen Grinsen am anderen Ende des Wagens stand. „Das hat verdammt Spaß gemacht", meinte er mit stark europäischem Akzent, „daran könnte ich mich wirklich gewöhnen!"
Von hier aus, sah er wie ein Metzger aus, der gerade aus dem Schlachthaus kam.
Denn der Riese hatte sich demonstrativ die blutigen Hände an seiner Panzerjacke abgewischt, bevor er die Passagiere der ihnen zugewiesenen Wagen zusammengetrieben und in die Obhut der anderen Waffenbrüder übergeben hatte.
Jetzt hätten sie eigentlich die Waggons nach den Leuten durchforsten müssen die der Meinung waren, als Held zu sterben sei wohl wirklich erstrebenswert, und sich wohl deswegen versteckt hatten.
Doch scheinbar hatten sie vom ersten Moment an einen verfluchten Decker an Bord des Zuges gehabt, der sofort dazu über gegangen war, sie zu sabotieren.
So funktionierte die audiovisuelle Überwachung der einzelnen Zugkomposition nicht mehr.
Was sicherlich dazu geführt hatte, dass ihre Waffenbrüder in der A-Klasse mit unerwarteter Kon-Security aneinander geraten waren und im Moment wohl einen schweren Stand hatten.
Sehr wahrscheinlich war es ihnen nicht einmal gelungen, die verborgenen Pakete zu erreichen, in denen jeweils genügend Panzerjacken und HK - 228, eine Kreuzung zwischen Sturmgewehr und Maschinenpistole, schon vor der Abreise versteckt worden waren.
Solange Alekto und ihre Leute mit dem Decker nicht fertig wurden, lauteten die Befehle eigentlich, die Stellung zu halten. Doch jetzt scheiterten sie bereits daran, die menschlichen Passagiere unter Bewachung zu halten.
Das behagte ihm immer weniger…
Sein über zwei Meter zehn großer Waffenbruder, am dem die HK - 228 wie ein Spielzeug wirkte, schien seine Überlegungen bemerkt zu haben. „Keine Angst, wir sind gewappnet", er klopfte sich trocken an die Panzerjacke, „komme was da wolle!"
Seine Stimme duldete keine Zweifel.
„Verflucht nochmals, das war es wirklich Wert. Nur auf diese Art und Weise bekommt man endlich ein realistisches Gefühl dafür, dass diese hochnäsigen Spitzohren auch nur sterbliche Arschlöcher sind!"
Donald war immer noch nicht überzeugt. „Da waren noch Kinder dabei, das ist dir schon bewusst, eh?"
„Das waren spitzohrige Missgeburten. Gleich wie diese verweichlichten Waschlappen, die hier für die Sicherheit hätte zuständig sein sollen. Und, " er hob mahnend den Finger, „du darfst nicht vergessen, dass man uns ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass wir unbedingt ein Exempel zu statuieren hatten... da diese eingebildeten Missgeburten in Wirklichkeit uns Menschen in nichts über sind. Ich persönlich habe deswegen zumindest den Beweis erbracht, dass diese selbstgefällige Schwächlinge auch nur Rot bluten!"
Erneut meldete sich Alekto über Funk und klang dieses Mal ungehalten.
Donald entsicherte seine Waffe und überprüfte nochmals seine Panzerjacke. Wenn ihre Chefin so klang, war es wirklich ein schlechtes Zeichen. Sollte er sich Sorgen machen?
Plötzlich realisierte er eine weitere Präsenz in der Nähe.
Die beeindruckende Elfe, die nun knapp eineinhalb Meter von ihm entfernt am Eingang des Abteils stand hielt er im ersten Moment für eine Illusion, wirkte sie doch wie eine Art leibhaftige Botin eines finsteren Gottes.
Sie war so lautlos erschienen, wie er es von den Elementaren Alektos schrägen Magiers gewohnt war, und auch ihre makellose hellgraue Kon-Uniform würde zum kranken Humor Alektos Hofmagier passen.
Verunsichert hob er die HK - 228 in ihre Richtung.
Die Elfe blickte ihn dabei mit violetten Augen an, in denen eine Verachtung brannte, die ihm eiskalte Schauer den Rücken hinabjagte. Nur unbewusst nahm er die Wurfbewegung ihrer Hand in Richtung seines Waffenbruders wahr.
Dann traf ihn brutal etwas von der Seite am Bein, explodierte der Schmerz in seinem Knie dermaßen heftig, dass er sich winselnd krümmte. Zierliche Frauenhände berührten seinen Mund und Hinterkopf.
Mit einem trockenen Krachen brach ihm Hiau Tzü das Genick und hatte das Sturmgewehr an sich genommen, noch bevor er am Boden aufschlug.
Fredrik dagegen wurde mit einer solchen Wucht mitten in der Stirn getroffen, dass er rücklings gegen die durchsichtige Wand knallte und dann leblos daran hinunter rutschte. Sein Kopf hinterließ dabei eine rote, verwischte Blutspur auf dem Glas.
Ohne ein Wort zu verlieren stürmten die beiden Frauen weiter. Dabei checkte die Elfe alle zurückgelassenen Gepäckstücke ab und versuchte sich ein Bild von der Anzahl Passagiere zu machen, die wohl verschleppt worden waren.
Im vorbeigehen lass sie noch ein kleines Plüsch-Einhorn auf und nahm es an sich.
Dann waren sie verschwunden und auch in diesem Abteil herrschte tödliche Stille.
So, während ich noch meine Ideen ordne und den Ablauf der Geschichte bestimme, hier noch einen kleinen Vorgeschmack auf das was kommen wird.

Steht zwar das meiste zwischen den Zeilen, aber ich hoffe, es bietet doch ein wenig Hirnfutter!

Viel Spass damit!


▼ Was bisher geschah: [link]

▲ Fortsetzung: [link]
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Comments12
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DuchesseOfDusk's avatar
Weiterhin schön actionreich, liest sich schnell, wie der erste Teil. Gefällt mir :)
Außer einigen Tippfehlern ist mir hier nichts aufgefallen.

Die kleinen Details sind übrigens super: abgeschnittene Fingerglieder, das Plüscheinhorn und so. Das macht es irgendwie stimmungsvoller und ich bin gespannt, welche Bedeutung diese Details noch haben werden :)