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Der l. Flug des Greifen XIa

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Thereallobezno's avatar
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Zürich (SEg/Schweiz) - 13:07 Uhr, 11. April 2069

Verloren stand Gryff in einer edel eingerichteten Rezeption vor einer Fensterfront. Und obwohl es angenehm warm war, fröstelte es ihn.
Eingeschüchtert starrte er unentwegt auf eine imposante Arkologie, die sich vor ihm in den Himmel erhob und die Zürcher Skyline komplett verdeckte. Sie war einiges größer und hässlicher als Basels Genom-Arkologie. Es war ein wahrer architektonischer Moloch - beeindruckend und vor allem einschüchternd.
Kurz riskierte er einen Blick zu einer perfekt gestylten Blondine mittleren Alters, die zu seiner Linken hinter einem ergonomischen Stehpult wohl mit irgendwelcher Korrespondenz in der AR beschäftigt war. Doch sie beachtetet ihn kaum mehr, obwohl sie im ersten Moment von ihm nicht gerade angetan gewesen war, als er hier aufgekreuzt war.
Vielleicht war das auch besser so.
Wieder wandte er sich der Arkologie zu und lehnte sich mit einer Hand gegen das massive Panzerglas.
Ein futuristischer Commuter setzte gerade auf einer der Plattformen des unförmigen Gebäudes zur Landung an, während auf einigen Dachterrassen darunter spielende Kinder zu erkennen waren.
Pius schob sich die Brille auf die Stirn.
Und das monumentale Bauwerk verschwand zurück in die Erweiterte Realität und wurde in der realen Welt durch einen riesigen Krater ersetzt. Die beeindruckende Baugrube war wohl das Fundament der zukünftigen Arkologie, die augenblicklich nur in der AR existierte.
Erneut lief ihm ein kalter Schauer den Rücken hinab.
Wegen der herrschenden, hektischen Betriebsamkeit, erinnerte das danteske Loch an einen gewaltigen Ameisenhaufen. Kein Fleck, an dem nicht gebaut, gegraben oder allerlei Gerüste errichtet wurden. Wobei das Meer an Kränen, das sich daraus erhob, wie ein apokalyptischer Wald wirkte.
Gryff klopfte bei diesem Anblick das Herz bis zum Hals.
Wo zum Teufel war der alte Bahnhof?
Und was war aus Tesraerinellé geworden?
Es war alles weg!
Hinter ihm trat jemand ein und wurde sofort von der Blondine hinter dem Stehpult abgefangen. „Er kannte die Passwörter, den Kode und konnte sogar ein von ihnen legitimierter Passepartout vorweisen! Aber ich wäre vorsichtig. Dieses Individuum sieht nicht gerade vertrauenswürdig aus." flüsterte sie dem großgewachsenen, ein wenig korpulenten Südländer zu, der soeben die Rezeption betreten hatte. Dieser sah währenddessen Pius völlig perplex an.
„Ist schon gut Holly!" flüsterte er ihr schließlich zu und schickte sie zurück an ihrem Arbeitsplatz. Dann rückte er sich seine A-J reconquista Weste zurecht und schüttelte baff den Kopf. „Mein Gott Gryff, das ist jetzt aber echt eine verdammte Ewigkeit her! Hätte nie gedacht, dich jemals wieder zu sehen!"
Nachdenklich wandte sich Pius von der Glasfront ab, während der Südländer mit einem herzlichen Lächeln auf ihn zukam und dabei die Arme zu einer freundschaftlichen Geste ausbreitete. „Mann, du siehst mir wieder aus!"
Gryffs Nickhäute zuckten heftig, als er bloß ein „hallo Lobezno." herausbrachte und diesem einen kurzen aber heftigen Fausthieb in die Magengrube verpasste.
Der Südländer klappte wie eine Stoffpuppe zusammen und musste sich auf dem Marmorboden übergeben.
Während jetzt Holly bereits eine Élan auf Gryff gerichtet hatte und kurz davor war abzudrücken, begann dieser völlig unerwartet den am Boden liegenden anzuschreien. „Du hast es gewusst, nicht wahr? Du wusstest es! Zwölf Jahre lang hab ich um sie getrauert ... riskierte stets Kopf und Kragen um ihr Grab besuchen zu können. Und war bis vor wenigen Tagen noch untröstlich, dass ich nicht an ihrer Beerdigung dabei sein konnte. Zwölf lange Jahre, in denen ich mir stets Vorwürfe gemacht habe, wieso ich in dieser verdammten Nacht nicht bei ihr war. Nächtelang habe ich wach gelegen und mich gefragt, ob ich sie vielleicht hätte retten können, ob es etwas genützt hätte, wenn ich mich für sie geopfert hätte!"
Noch am Boden liegend, bedeutete Lobezno Holly, die Waffe wegzustecken.
„Jahre, in denen du mir geholfen hast durchzuhalten, mit Ratschlägen und Tipps stets zur Stelle warst und Hand angelegt hast, wenn uns wieder mal bei einem Run die Fetzen um die Ohren flogen!"
Gryff hielt kurz inne, sackte dann vor dem keuchenden Südländer auf ein Knie. „Und du warst der Einzige, der mir wirklich zur Seite stand, als mich SURGE endgültig aus der Bahn warf!"
Seine Stimme überschlug sich jetzt.
„Und die ganze verdammte Zeit wusstest du und deine ´Berend dass sie überlebt hatte!
Gottverflucht nochmals, wieso hast du es mir nicht gesagt?"
„Sie wollte nicht, dass du es erfährst…"
Pius reichte Lobezno die Hand. „Und sowas nennt sich Freund?!?"
Ja ja, Männerfreundschaften...
;-)


▼ Was bisher geschah: [link]

▲ Fortsetzung: [link]



Dramatis personae


Gryff
aka Pius Meyer Wettstein
- 57jähriger Runner mit keramikweißen Cyberarme.
(Sieht einiges jünger aus)
Hat braunes, von einigen silberblonden Strähnen durchzogenes Haar und schwarze Raubvogelaugen mit goldenen Iriden und milchigen Nickhäuten.

Lobezno
- Freund Gryffs.
Ein großgewachsener, ein wenig korpulenter Südländer.


Holly
-Sekretärin Lobeznos.
Eine perfekt gestylte blondhaarige Dame mittleren Alters.





NOTIZEN

Wenn man den zeitlichen Ablauf der Ereignisse folgt, ist es sehr wahrscheinlich, das Lobezno gerade vom Mittagessen kommt...
© 2011 - 2024 Thereallobezno
Comments5
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NikitaTarsov's avatar
Tjaja...mit dem eigenen Erwachsenwerden werden andere leider immer (in subjektiver Relation) jünger.....

Aber was genau ist Tesraerinellé jetzt? Hab´s zuerst für so´n Insider wie Stutgart 21 gehalten.

Aber zumindest zu FanPro denke ich sagen zu können das der Planet Amerika damals noch auf einer anderen Umlaufbahn als Europa unterwegs war, das sowas wie "Volksbegehren" oder "Duldung sozialistischer Projekte" in dehren Köpfen völlig unverständlich waren is klar......naja gut, heute leben wir ja alle mehr oder weniger in dieser schönen neuen Ami-Welt.....

So eine Geschichte zu schreiben ist halt ein brutaler Drahtseilakt.

Oh, am Rande - der Satz "Hinter ihm trat jemand ein, gesellte sich die Blondine zu diesem" klingt sonderbar.

Ansonßten is gerade die erste Überlappung der Beobachtung schön gemacht und wirkt sehr filmisch.