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Der l. Flug des Greifen 2-XXXII

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Thereallobezno's avatar
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Lausanne, Frühling 2069

Obwohl den zwei athletischen Elfen ihre Uniformen wie angegossen passten, schienen sie sich unwohl darin zu fühlen.
François Marais, der Größere der beiden, überprüfte inzwischen zum x-ten Mal seinen gepanzerten Anzug mit dem feurigen Phönix auf dem Oberarm und fuhr dabei auch prüfend über den Sicherheitshalfter seiner vollautomatischen FN - 22C. Mann hatte sie zwar gewarnt, aber er hatte sich nie im Traum vorstellen können, dass es derart kommen würde.
Mit einem zynischen Grinsen blickte er zu Thierry Auteuil hinüber, der auf der anderen Seite des Foyers stand.
Gerade als dieser etwas erwidern wollten, vernahmen sie Schritte aus der Tiefe der Empfangshalle der Villa.
Beide standen stramm, denn das entschlossene Auftreten war unverkennbar. Es gehörte Margareth Ironside, der hiesigen Protector-Sicherheitschefin, denen sie vom ersten Augenblick an ein Dorn im Auge gewesen waren.
Es war nicht so, dass diese Frau sie nicht mochte, nein… sie hasste sie richtiggehend. Seit man sie hier einquartiert hatte, überbot sie sich mit idiotischen Einfällen um sie zu gängeln und ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Ein Wunder, dass sich Marie-Antoine Lallouette Balavoine überhaupt gegen diesen Betonkopf hatte durchsetzen können. Aber es ging ja um ihre Tochter.
„Wo ist Der dritte von euch? Dieser… dieser…“ Bellte ihnen die Stimme der dunkelhäutigen Frau mit der Präsenz einer Planierraupe entgegen.
„Sein Name ist Thierry Joël Galabru.“
Die Sicherheitschefin des Balavoine Anwesens, gekleidet in einem maßgeschneiderten, blassgrauen GUCCIO Anzug, der aus Seide schien und sehr wahrscheinlich um ein vielfaches besser gepanzert war als ihre Phénix Sécurité Uniformen blieb genau einen halben Schritt hinter François stehen, so dass er sich wohl zu ihr hätte umdrehen müssen. „Wo ist er?“
„Scheißen gegangen.“ Meldete sich dafür Thierry zu Wort.
François konnte ihren erbosten Blick förmlich spüren, als sie an ihnen vorbei schritt und sich mit Schwung vor der beeindruckenden Eingangstüre zu ihnen herum drehte. Der Elf staunte immer noch darüber, dass der Eingang der Villa nicht nur wirkte, als wenn er aus reinstem Edelholz wäre, sondern auch scheinbar dessen Konsistenz hatte. Er passte perfekt zur ganzen Einrichtung, die aussah, als wäre sie aus den Anfängen des 20 Jahrhunderts direkt durch die Zeit hierher versetzt worden. Dabei musste er sich aber in Erinnerung rufen, das sogar ein Ruhrmetall Wolf II Kampfpanzer davor hätte kapitulieren müssen. Und wenn er schon beim Thema war…
Mit einer Miene, die sogar ein tollwütiges Piasma in die Flucht geschlagen hätte, stemmte Margareth Ironside ihre Fäuste in die Taille. „Haltet euch bloß an die Abmachung! Wenn ich diesen Thiéry in einen der für euch nicht freigegebenen Privatgemächer erwische… dann Gnade ihm Gott! Ich reiße ihm den Arsch derart auf, dass er zukünftig mit einem Spagat gleichzeitig Kühler und Kofferraum eines Toyota Chiyoda berühren kann!“
Noch bevor sie weitersprechen konnte, fuhr die Eingangstüre mit einem schwachen Zischen auf und ein knapp 16 jähriges Mädchen stürmte hinein.
Sie trug sündteuren Zoé de Paris Street Chic, der sie zwar wie einen normalen Teenie wirken, aber knapp vier Jahre älter aussehen ließ und wäre fast in Margareth hineingerannt, wenn diese nicht geistesgegenwärtig ausgewichen wäre. Das Mädchen blickte die Frau zuerst leicht erschrocken an, strahlte dann aber über das ganze Gesicht. „Hallo Tante, sieh doch mal was ich draußen zwischen den Blumen gefunden habe!“
Instinktiv trat François Marais einen Schritt zu ihr vor, hatte bereits seine Hand an der Waffe und wollte sie davon abhalten, offen zu legen, was sie zwischen den Händen hielt, als ihn die Stimme der Sicherheitschefin zusammenzucken ließ. „Was soll das?“
Der Elf blickte der Frau ernst in die Augen und genoss dabei kurz die Gewissheit, dass sie es hasste, zu jemandem hochschauen zu müssen. „Es könnte gefährlich… eine Bedrohung sein!“
Ein schwaches, zerbrechliches Miauen erklang, gefolgt von der aufgeregten Stimme des Mädchens. „Darf ich sie behalten?“
Und alle wandten sich dem getigerten, blassgrauen Häufchen Katze zu. Das knapp zwei Monate alte Tier wirkte ein wenig zerzaust, gab sich aber hingebungsvoll den Liebkosungen des Mädchens hin.
„Eine Bedrohung also…“ murmelte Margareth mit triefendem Hohn, als sie ebenfalls das Kätzchen streichelte, das darauf mit einem bewundernswert lauten Schnurren antwortete.
Gerade als François die Arme verschränkte und nach einer treffenden Antwort suchte, gesellte sich eine hagere Erscheinung zu ihnen, welche in helle Pastellfarben gehüllt war und irgendwie nicht von dieser Welt wirkte. Der Mann trug sein goldblondes, taillenlanges Haar streng zu einem Zopf zurück gebunden.
„Was ist Michelle Jeanne?“ fragte er das Mädchen liebevoll und ignorierte beflissentlich die zwei anwesenden Elfen.
Die Sicherheitschefin ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen. „Moussa, was ist das für ein bedrohliches Ungeheuer?“
François griff sich leicht genervt an die Nasenwurzel, während der Neuankömmling ebenfalls das Kätzchen streichelte, kurz abtastete und dann askannte. „Ein leicht ausgehungerter Felis silvestris catus, wieso?”
„Was?“ reagierte hierauf Margareth, während der Elf gut hörbar „Eine normale Hauskatze…“ murmelte.
„Ist sie krank?“ Meldete sich Michelle Jeanne besorgt zu Wort.
„Nein,“ meinte Moussa beruhigend, „sie wirkt mir bloß ein wenig gestresst. Und Hunger hat sie… das ist unverkennbar. Aber ansonsten kann ich nichts Außergewöhnliches feststellen. Scheint mir bloß, dass sie sich eine der Hinterpfoten leicht aufgeschürft hat.“
„Dann muss es sofort verarztet werden!“ Befand das Mädchen. „Und darf ich es danach füttern Tante?“
Margareth wollte gerade antworten, als sie streng die Elfen ansah und sich wieder auf das Kätzchen fokussierte. Sie klang nachdenklich. „Irgendwie… irgendwie kommen mir ihr Muster und ihre Farben vertraut vor…“
„Lady Mata Hari von Madame Tissot Rachida Lagarde, Besitzerin unseres Nachbargrundstückes, hat die gleiche Färbung und eine ähnliche Musterung,“ meinte Moussa Brélaz, der Magier des Hauses. „Und wenn ich mich richtig erinnere, konnte die mehrfach prämierte Katze vor einigen Monaten nicht an einem Wettbewerb teilnehmen, weil sie zu dieser Zeit trächtig war.“
„Verstehe…“ Margareth aktivierte ein hellblaues Feld mit dem Protector Logo vor ihr in der AR, überprüfte einerseits die Messdaten der hauseigenen Überwachungssensoren innerhalb und außerhalb der Vila im Zusammenhang mit dem Kätzchen und ging dann auf die gesicherten Kanäle des hiesigen AAA Wohnquartiers. Während nun das Security-System auf einen erst einige wenige Stunden alten, wohl von Mardern verursachten Durchgang in der Zierhecke stieß und deswegen augenblicklich die Hausgärtner sowie eigenen Sicherheitsleute aufbot, wählte die Frau die Rufnummer ihrer Nachbaren.
Obwohl der Anruf über ein gesichertes Netz lief und eigentlich ohne Zeitverzögerung stattfand, wartete die Sicherheitschefin dennoch fast eine ganze Minute, bis sich jemand meldete. Das kurze Gefühl von Unsicherheit wich dabei einer gewissen Überraschung, als sich Madame Tissot Rachida höchstpersönlich meldete.
Diese wirkte seltsamerweise eine kleine Spur weit ungepflegt, sowie ziemlich gestresst und hatte auch einen ungewöhnlich konsternierten Ausdruck im Gesicht. Aber das sie besorgt war, war unverkennbar.
„Was wollen sie gerade jetzt Ironside?“
Margareth wollte ihre Nachbarin gerade fragen, wieso ihr Buttler nicht den Anruf entgegengenommen hatte, als ihr der suchende Blick der Frau auffiel, mit dem sie mehrfach an ihr vorbei sah. Tissot Rachida hatte den Anruf in ihrer Küche entgegen genommen, was eigentlich für eine Dame ihres Standes nicht üblich war, außer…
Einer plötzlichen Eingebung folgend, legte Margareth den Kopf leicht schräg. „Entschuldigen sie bitte meinen unangebrachten Anruf Madame. Aber… suchen sie etwas?“
„Was… ja! Verflucht nochmals, ich habe wirklich keine Zeit im Moment. Es ist zum…“ Abrupt änderte sich ihr Gesichtsausdruck und Hoffnung erfüllte die zusammengekniffenen Augen. „Sagen sie nicht…“
Mit der Grazie einer Ballerina trat Margareth Ironside beiseite und gab das Bild auf den hiesigen Hausmagier und Michelle Jeanne Balavoine frei, die sich beide hingebungsvoll um ein ziemlich zufriedenes Kätzchen kümmerten.
„Delila!“ schrie Tissot Rachida. „Gott Kleines… ich hatte mir solche Sorgen gemacht!“
Ihre Stimme klang nun eine Spur freundlicher. „Geht’s ihr gut?“
„Ja, nur leicht zerzaust. Wollen sie sie holen kommen oder sollen wir sie ihnen bringen?“
Michelle Jeanne blickte hierauf nervös Moussa an und warf sogar den zwei Elfen hilfesuchende Blicke zu. Doch ihre Sorgen schwanden rasch, als sich ihre Nachbarin zögernd zu Wort meldete.
„Ich, äh… könnten sie nicht vielleicht…“
„Ich werde mich fürsorglich um sie kümmern!“ meinte das Mädchen und kassierte von Margareth einen strengen Blick, als sich diese neugierig wieder dem Bild in der AR zuwandte. „Was ist passiert Madam?“
„Nun… heute hat das Hausmädchen frei und Alonso macht gerade den Wagen bereit… und ich…“
„Claude?“
Kurz versagte Tissot Rachida die Stimme. „Ja! Er hat scheinbar einen Unfall gehabt… weiß nichts Präzises… hab nur einen Anruf vom Spital erhalten. Ist während des Besuches einer seiner Baustellen passiert. Aber sie meinten, ich müsse sofort kommen…“
Die Sorge und Angst in den Augen der Frau waren unverkennbar, als Margareth ihr sanftestes Lächeln aufsetzte. „Keine Angst. Was ihre Delila betrifft, wird es ihr an nichts fehlen und wir werden uns vorbildlich um sie kümmern. Gehen sie ruhig ins Spital und wenn es ihnen noch möglich wäre, informieren sie uns bitte, wie es ihren Gatten geht. Falls sie übrigens etwas brauchten, könne sie sich jederzeit an mich persönlich oder jeglichem Protector-Mitarbeiter wenden!“
Demonstrativ stellte sich die Sicherheitschefin vor die Elfen und bedachte diese kurz mit einem einschüchternden Blick.
Tissot Rachida ihrerseits konnte kaum aufhören, sich zu bedanken, als sie sich ihren hingeworfenen Laurentine de Lion Mantel schnappte und dabei praktisch ihrem Buttler in die Arme lief, der besorgt nach ihr schauen gekommen war.
„Viel Glück!“ Wünschte ihnen Margareth noch, dann kappte sie mit einem besorgten Seufzen die Verbindung.
„Sie ist nahe an einem Nervenzusammenbruch!“ meinte Moussa trocken dazu.
„Ja!“ Margareth wandte sich nun verschwörerisch dem Mädchen zu. „Mille, höre mir bitte genau zu. Du gehst jetzt mit Moussa in den Regenerationsraum des Fitnesskellers und dort soll er schauen, wie er mit seinen Fähigkeiten Delila wieder Fit kriegt. Und macht mir bitte diesen kleinen Dreckspatz auch ordentlich sauber. Ich besorge in der Zwischenzeit Futter für sie.“
„Aber darf ich sie behalten?“
Margareth wollte gerade etwas erwidern, als sie François Marais und Thierry Auteuil direkt anblickte. Ihre Stimme bekam hierauf einen scherzhaften Unterton. „Vielleicht… das werden wir noch sehen. Wenn wir uns dann vergewissert haben, ob diese extrem gefährliche Kreatur wirklich nicht aller unser Leben bedroht!“
Mit einem schrillen, bösartigen Lachen folgte sie kopfschüttelnd der Tochter des Hausherren und dessen Magier an einem nahenden Mann in einer Phénix Sécurité Uniformen vorbei, der bei ihr nur noch mehr Gelächter verursachte.


Abwesend und wohl in der Musik ihres Kommlink versunken, joggte gerade eine in überteurer, aber extrem schriller Sportbekleidung gepackte junge Frau die leeren, verschneiten Straßen des AAA Wohnquartiers Lausannes hinunter und kam dabei an einem unscheinbaren EUROVAN Lieferwagen einer hiesigen Wartungsfirma vorbei. Höfflich grüßte sie die zwei Männer darin und blieb dann vor einem nahen Wohnungseingang stehen. Hier vollführte sie noch einige Dehnungsübungen und spazierte dann die Schultern entspannend ins Haus hinein.
Als der Motor des altehrwürdigen Fahrzeugs nach mehreren Versuchen endlich ansprang, gefroren wie durch Geisterhand die Überwachungskameras und Kontrollsensoren des lokalen Überwachsungssystems, sowie deren Aufklärungsdrohnen für den Bruchteil einiger Sekunden.
In genau diesem Augenblick fuhr die Seitentür des Fahrzeugs kurz auf und die Joggerin von vorhin sprang mit einem scheinbar übermenschlichen Sprung aus dem Hauseingang hinein.
Als das Fahrzeug weg fuhr, blieb nur ein kurzes Flackern in den Sicherheitsaufzeichnungen zurück.
Im Innern des Wagens deaktivierte inzwischen die schwarzhaarige Schönheit mit einem zufriedenen Seufzer die Farbenpracht des hauchdünnen Jogginganzuges über ihrem hautengen Kampfanzug und blickte noch ein letztes Mal durch das gepanzerte Seitenfenster zu dem bewachten Luxusanwesen der Balavoines hinüber. Sie hatte den schneidenden Blick eines hungrigen Raubtieres.
Inzwischen war einer der Servicetechniker die im Fahrerabteil gehockt hatten zu ihr nach hinten gekommen.
Während sie vorsichtig eine kleine Bauchtasche abzog grinste er sie an.
„Na, hat‘s geklappt?“
Sie nickte nur stumm, öffnete die Bauchtasche und nahm den Kadaver eines knapp zwei Monate alten, getigerten, blassgrauen Kätzchens hervor. Diesen drückte sie dem Mann in die Hände, der es mit einem irritierten Blick in einer Wartungskiste verschwinden ließ.
Dann verband sie sich über ihren Kommlink in die gesicherte Leitung des Fahrzeugs und sprach mit rauer, aber zufriedener Stimme. „Der Wechselbalg ist in der Wiege, lasst die Engel kommen!“
Und währendessen, an einem anderen Ort...
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KaeptnKarel's avatar
Ah so. - Diese Runner agierten in Genom-Auftrag. - Das war mir beim ersten Lesen nicht ganz klar. - Aber wieso hat dieses Haus in Lausanne eigentlich eine Protector-Sicherheitschefin, da es sich ja eindeutig auf dem Home-Turf von Phénix befindet? - Außer natürlich, wegen der zwangsläufigen Spannungen zwischen ihr und den Angestellten des Konkurrenz-Dienstes...